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ME + MARIE

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ME+MARIE

Double Purpose

VÖ 17.08.2018

Capriola / Sony

Die Kunst von Me + Marie ist das Brückenschlagen. Zwischen Epizentrum und Peripherie, Skizze und Hymne, Rausch und Romantik. Zwischen Zustimmung und Widerspruch.

“Double Purpose” erzählt von der unauflösbaren Verschränktheit der Dinge. Davon, dass es das Eine nicht ohne das Andere gibt: keine Besinnlichkeit ohne Chaos, keine Romantik ohne die Lust an Zerstörung. Keine leidenschaftliche Nacht ohne verbitterte Streits, keine ausschweifende Fantasie ohne die gemeine wirkliche Welt, die notorisch schwingt zwischen Langeweile und Ekstase wie die Atomuhr der Zweisamkeit. Der Song “Double Purpose” bringt die Geschichte des Albums auf den Punkt. Er war der erste Song der nach dem Vorgänger-Album geschrieben wurde und der letzte der gerade noch auf die Platte kam, nachdem er vorher wieder und wieder eingespielt und verworfen wurde.

“Man muss den Dingen Zeit geben. Das ist schwer zu erklären. In Wirklichkeit schreiben sich die Songs selbst, wir als Band sind nur das Instrument.” (Roland Scandella)

 

hatten geschrieben und komponiert, ohne Pause durch die Nacht und den Tag. Dann wollte nichts mehr vorwärts gehen, nichts machte mehr Sinn. Maria de Val und Roland Scandella saßen sich einen Vormittag schweigend gegenüber. Roland packte den Rucksack und stieg in die Gipfel. Als er am nächsten Abend zurückkam, erwartete Maria ihn mit dem Ausweg: sie mussten mit ihrer Musik durch diese Leere hindurch. Auf die andere Seite der Sinnlosigkeit, der hoffnungslosen Schwere. Sie mussten das Pendel zurück schwingen lassen.

In Koblenz vollzogen Me + Marie mit Kurt Ebelhäuser (Blackmail) die Metamorphose ihrer Songskizzen. Jeder Ton, jede Zeile, jeder Sound wurde zu dritt stoisch zerlegt und wieder in die Songs verstrickt. Einen Monat lang schraubten sie die Demos zu mächtigen Hymnen, in denen sich Courtney Barnett und PJ Harvey kichernd die Hand geben, in denen Grunge-Ikone Eddie Vedder den Italo-Western-Magier Ennio Morricone beim Trampen mitnimmt.

“Double Purpose” betont das “Und” anstatt das “Oder”. “Sad Song To Dance” ist passenderweise der erste Song des Albums. Er verbindet erst Lethargie und Ekstase und dann Grunge und Italo-Western. Dieser Plan klingt unmöglich, aber Me + Marie gelingt der Spagat ohne großes Klimbim: Schwere Gitarren und flockige Drums, düstere Themen und hymnische Melodien, poppige Hooks und cineastische Passagen.

 

Die Songs entfalten so einen Sog, tragen die Hörer durch magische Szenerien und legen sich dabei wie ein Kokon um den Körper. Man hat Begegnungen der dritten Art im Morgengrauen an einem Waldsee (“Still Water”) und schleicht als zynischer Zweifler durch ein Bankenviertel (“Children Of Money”). Man zappt durch das Unterbewusstsein von MTV in den 90ern (“Shine Out Loud”) und verfolgt Maria und Roland im Helikopter-Modus durch dystopische Wüstenlandschaften (“The Only Ones”).

Und plötzlich erwacht man im Video von “November Rain” und Roland Scandella steht im Wüstensturm, mit offenem Hemd und Kippe im Mundwinkel. Und Maria de Val sitzt in der weißen Kapelle anstelle von Axl Rose am Flügel. Oder umgekehrt? Maria grinsend in Lederjacke mit der Gitarre auf Kniehöhe und Roland im Brautkleid am Flügel? Die Ebenen verschwimmen so schnell, dass man sich erschrocken die Kopfhörer von den Ohren reißt. Hat man das am Ende gesehen und geträumt? Ennio Morricone und Slash? Sehnsüchtige Waldesruh und versoffener Anarchismus? Pathos und Lässigkeit?

“Wir sind nicht cool. Wir spielen nur zufällig in einer Band. Warum wissen wir nicht, aber es fühlt sich gut an. Solange das so ist, machen wir es weiter.“ (Maria de Val)

Waren diese Grenzgänge nicht schon immer das wirklich Interessante an Popmusik? Und waren die großen Gefahren nicht schon immer Langeweile und Oberflächlichkeit? Mit einer Mischung aus Grunge-Pop und Italo-Western unternehmen Me + Marie ihren nächsten Ritt entlang der Gletscherspalte. Zwischen #nextbigshit und #nextbigfail. Zwischen Aufstieg und Untergang. Und bestimmt können sie sich nicht entscheiden, welche Richtung ihnen lieber ist.

 

 

 

ME + MARIE are
Maria de Val: vocals, the drums, guitar
and
Roland Scandella: vocals, the guitar, the bass